Psychologische Sicherheit ist das, was in (Krisen-)Zeiten fehlt. Routinen helfen uns, trotz Unsicherheit wieder handlungsfähig zu werden. Denn die Angst vor einer möglichen Ansteckung mit dem Virus ist lediglich eine Seite der Medaille. Die andauernde Planungsunsicherheit belastet viele Menschen - Unternehmer wie Einzelpersonen - mindestens ebenso stark. 

Psychologische Sicherheit ist gefährdet

Die Kontakt- und Ausgehbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie haben das menschliche Miteinander drastisch eingeschränkt. Dabei brauchen wir Menschen den täglichen Austausch mit anderen, um psychisch gesund zu bleiben. Denn Sozialkontakte machen uns widerstandsfähiger und lassen uns eher psychische Belastungen aushalten.

Mit den Kontakt- und Ausgehbeschränkungen fielen allerdings genau diese wichtigen psychisch stärkenden Faktoren weg. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat deshalb in einem ersten Resümee der vorliegenden Forschungsergebnisse untersucht, wie stark die Corona-Pandemie die psychische Gesundheit gefährdet. 

Unsicherheit lähmt Firmen wie Einzelpersonen

Die fehlende Planungsgrundlage verunsichert die Menschen. Eine unsichere Zukunft, wirtschaftliche Sorgen, soziale Isolation sowie Angst um die eigene Gesundheit und die von Familie und Freunden können die psychische Gesundheit von Menschen beeinträchtigen.

Die Zeitschrift Die Welt hat in Ihrem Artikel "Die psychischen Folgen treffen alle - auch die Gesunden" mehrere Studien zusammengetragen, die belegen, dass das Risiko für Depressionen, Angsterkrankungen durch Isolation und Einsamkeit zunimmt.

Auch der Versicherungskonzern Axa hat in seiner Befragung im Juni festgestellt, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen während der Pandemie deutlich zugenommen hat.

Und das betrifft Unternehmer wie Einzelpersonen, also dich und deine Mitarbeiter. Wir alle stellen uns wieder und wieder Fragen wie: Wann - wenn überhaupt - werden wir wieder in den Normalmodus zurückkehren? Wie lange wird dieser Ausnahmezustand noch dauern? Können wir als Firma und kann ich als Einzelperson das überleben?

Wie kannst du also als Führungskraft deine eigene geistige Gesundheit und die deiner Mitarbeiter stärken? Indem du für dich und für euch feste Routinen einführst. Denn sie geben euch den nötigen Halt. Hier sind ein paar Vorschläge:

1. Verschaffe dir Klarheit

Du kannst eine Ressource, die dir selbst fehlt, nicht mit anderen teilen. Wenn also du Unsicherheit und Ratlosigkeit empfindest, wird es dir kaum gelingen, deinen Mitarbeitern Zuversicht zu vermitteln.

Ängste wahrnehmen und zulassen

Fange also bei dir ganz persönlich an. Verschaffe dir Klarheit, wo du gerade stehst. Was befürchtest du in der aktuellen Situation? Welcher Umstand macht dir aktuell am meisten zu schaffen? Was könnte der Grund dafür sein? 

Wie geht es deiner Belegschaft? Haben sie ähnliche Sorgen wie du? Oder bedrückt sie noch etwas ganz anderes? Am besten findest du das heraus, indem du sie fragst. Stelle offene W-Fragen (Wer?, Wie?, Was? Weshalb? usw.). Und dann höre gut zu. 

Achte auf dich und andere

Jetzt, wo sowohl Leben als auch Arbeiten zuhause stattfinden, verschwimmen die Grenzen. Es fehlen alltägliche Routinen wie das Mittagessen in der Kantine oder die Kaffeepause am Kaffeeautomaten. 

Viele Menschen neigen dazu, im Home Office keine oder weniger Pausen zu machen. Ja, selbst die Fahrtzeit, die sie normalerweise zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurücklegen, wird noch in die Arbeit investiert. 

Achte bei dir und anderen darauf, dass trotz Home Office genügend Pausenzeiten eingehalten werden. Denn unser Körper braucht zwingend Regenerationsphasen um dauerhaft leistungsfähig zu sein. 

Strategie und Zukunftsperspektive

Sicherlich ist jetzt kaum Planungssicherheit gegeben. Deshalb ist es umso wichtiger, eine klare Vision und Strategie zu haben, wohin du dich und dein Unternehmen bzw. Team entwickeln willst. 

Deine Mitarbeiter und auch du brauchen ein klares Ziel, um auch in schwierigen Phasen immer eine Art Kompass zu haben. Wohin wollt ihr euch entwickeln? Was von dem, was ihr heute tut, zahlt auf dieses langfristige Ziel ein? Was ist eher überflüssig? Wenn das euer Ziel ist, welche Dinge solltet ihr dann heute (mit all den Einschränkungen) tun, um darauf hinzuarbeiten?

2. Führe Routinen ein

Beginne damit, deine normale Routine so weit wie möglich einzuhalten. Dusche früh am Tag. Mache dich hübsch, ziehe schöne Kleidung an, lege Make-Up auf - eben so, als würdest du einen externen Termin haben. 

Ja, auch wenn du jetzt schmunzelst - probiere es aus. Es macht einen Unterschied, ob du in Jogginghose an einem Online-Meeting teilnimmst, oder ob du dich zurecht gemacht hast. Du hast eine andere Ausstrahlung. Schon Gottfried Keller wusste: "Kleider machen Leute".

Vor allem aber plane regelmäßig Bewegung. Die ist sowohl für deine physische wie psychische Gesundheit wichtig. Gehe mittags ein paar Schritte spazieren, tanke frische Luft und bekomme so den Kopf frei. 

Und wenn du für dich Routinen gefunden hast, die funktionieren, dann ermutige deine Mitarbeiter, es dir gleich zu tun. Achte vor allem darauf, dass sie nicht ständig erreichbar sind. Kommuniziere klar, wann du Erreichbarkeit erwartest und wann nicht. 

3. Lasse bleiben, was dich negativ beeinflusst

Wer sagt denn, dass du täglich Nachrichten lesen oder ansehen musst? Tut es Not, ständig die aktuellen Infektionsraten oder die Börsenkurse zu checken? Prüfe, ob dich diese Informationen eher bestärken oder negativ beeinflussen.

Sofern sie dich herunterziehen, lasse es einfach bleiben. Stattdessen nimm dir ein gutes Buch oder fange an, Tagebuch zu führen. Es hilft ungemein, sich Dinge von der Seele zu schreiben - positive wie negative. 

Außerdem gewinnst du so eher Erkenntnisse darüber, was dich aktuell bewegt. Inwieweit flößt dir die aktuelle Situation Sorgen ein? Was daran kommt dir gegebenenfalls gerade gelegen. Schließlich ist nicht alles schlecht, was diese Pandemie mit sich gebracht hat. 

4. Bitte andere um Hilfe

Bitte andere um Hilfe, wenn du welche brauchst. Pflegekräfte, Eltern, Trainer, Therapeuten - jeder braucht gelegentlich Hilfe von außen. Jedoch sind wir oftmals zu zurückhaltend, um tatsächlich danach zu fragen. Wir befürchten, dann in der Schuld des anderen zu stehen oder gar abgelehnt zu werden.

Dabei wäre es so einfach: Partner, Eltern, Kinder, Freunde und Kollegen bieten meist gerne ihre Hilfe an. Denn sie tun einerseits dir damit etwas Gutes, aber auch sich selbst. Überleg doch mal, wie gut es sich beim letzten Mal angefühlt hat, als du mit deiner Expertise glänzen konntest. Und genauso geht es deinem Gegenüber, wenn du ihn um Hilfe bittest. 

Frage also aktiv um Hilfe und biete bereitwillig deine eigene Hilfe an. Ermutige auch deine Mitarbeiter dazu, sich untereinander zu unterstützen.

5. Kultiviere Nähe auf Distanz

Nähe auf Distanz!? Ist das nicht paradox. Nein, ist es nicht. Es ist sogar immens wichtig für das Gelingen von Arbeiten auf Entfernung. 

Im Zuge von Zoom-Calls und Microsoft Teams Meetings gehen die Zwischentöne gern verloren. Das sind genau die Informationen, die für gewöhnlich zwischendurch auf dem Gang, beim Kaffee oder in der Mittagspause ausgetauscht werden. 

In virtuellen Meetings sind wir kürzer angebunden, kommen schneller zum Punkt und konzentrieren und auf die dringendsten Probleme des Tages. Es ist einfacher, direkt zu den Aufgaben zu springen und das "Wie geht es dir?" zu schlabbern. 

Um aber auf der Höhe zu sein, wie es um die Verfassung deiner Mitarbeiter und Kollegen bestellt ist, solltest du tatsächlich Raum für Informelles geben. Damit diese informellen Gespräch online stattfinden, musst du sie anschieben. 

Sprich also selbst ein Thema an und frage interessiert bei den anderen nach. Ja, natürlich kostet das Zeit und anfangs vielleicht auch Überwindung. Hintenraus zahlt es sich allerdings gleich mehrfach aus. Denn du spürt direkt, ob es einem Mitarbeiter gut oder nicht gut geht, wo (Verständnis-)Probleme bestehen und schickst so ein Stück von der sozialen Wärme zwischenmenschlicher Kontakte über den Äther.

Dazu zählt neben aktivem Nachfragen auch, dass du die Stille am andern Ende auch einmal aushältst. Warte solange, bis dein Gegenüber seine Gedanken und gegebenenfalls Gefühle gesammelt hat, um dir zu antworten.

5. Lobe proaktiv

Die Amerikaner nennen uns Deutsche die "Yes-But-er", also die "Ja-Aber-Sager. Wir Deutschen sind eher Defizit orientiert. Das bedeutet, wir schauen eher auf die Dinge, die nicht gut laufen, statt auf die Dinge, die positiv sind. Deshalb schieben oftmals ein "aber" hinterher, was den Amerikanern übel aufstößt. 

Gute Nachricht für dich: Du kannst gar nicht zu viel loben. Also lobe, was das Zeug hält. Und zwar nicht nur für die großen Leistungen. Nein, lobe einfach alles, was dir positiv auffällt: "Ihre Präsentationsfolien sind genau auf den Punkt", "Klasse, wie du die Beschwerde des Kunden behandelt hast!", "Gute Idee, zukünftig alle Rechnungen digital auf unserem Laufwerk abzulegen", "Schön, dass du im Online-Meeting immer deine Kamera anmachst", "Deine positive Art ist eine Bereicherung für jedes Meeting", u.v.m.

Lob ist nämlich Balsam für die Seele. Es zeigt deinem Gegenüber, dass du ihn wahrnimmst. Und jeder Mensch braucht Anerkennung. Ein Lob motiviert zu mehr desgleichen und hilft, psychologische Sicherheit zu vermitteln, auch wenn das Umfeld komplett unsicher ist.

Fazit

Unsichere Krisenzeiten gehen zu Lasten der psychologischen Gesundheit eines jeden Einzelnen. Als Führungskraft ist es jetzt noch wichtiger, den Mitarbeitern Sicherheit zu vermitteln.

Dazu gehört, die Sorgen ernst zu nehmen. Außerdem ist es wichtig eine Vision zu haben wo die Reise trotz aller Unsicherheit hingehen soll. Eine gemeinsam entwickelte Strategie schweißt zusammen. 

Zusätzlich trägt sie zur psychologischen Sicherheit bei, denn dadurch wird deinen Mitarbeitern klar, dass sie ihr Schicksal selbst beeinflussen können und eben nicht Spielball der angeordneten Pandemie-Maßnahmen sind. 

FAZIT

Psychologische Sicherheit zu vermitteln ist eine der zentralen Aufgaben von Führung - vor allem in Krisenzeiten. Denn nur wer sich sicher fühlt, kann auch gute Leistung bringen. 

Sicherheit kannst du am ehesten vermitteln, wenn du eine übergeordnete Strategie hast, die du gemeinsam mit deinem Team verfolgst. Denn die gibt das gute Gefühl, das eigene Schicksal selbst beeinflussen zu können - selbst in turbulenten Zeiten. Deshalb ist Strategie auch das erste Modul in meinem 7-wöchigen Leadership PraxisCoaching.

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Dagmar Gerigk
Dagmar Gerigk

Dagmar ist Leadership Coach und Trainer sowie Expertin für New Work. Sie entwickelt starke Leader, die inspirierend führen - vor Ort, hybrid und digital auf Distanz. Resultat: Motivierte Teams und überproportionale Ergebnisse!